Wäre da nicht ihre verschwundene, bemitleidenswerte Freundin Gundula gewesen, so hätte Tante Margarethe Kanadas nördlichste Großstadt Edmonton als Paradies empfunden. Sie residierte - zusammen mit ihrem Neffen Paul E. Pop sowie dessen Freundin Rita Stefanidis - in einer viktorianischen Suite des Fantasyland Hotels - und das wiederum lag im größten geschlossenen Einkaufs- und Vergnügungspark der Welt. 48 Straßenblocks hatte man für die West Edmonton Mall überdacht, und man brauchte Tage, um alle 800 Geschäfte, 110 Restaurants und 520 sonstige Attraktionen zu besuchen. Das beste jedoch war - zumindest in Margarethes Augen -, daß die kanadische Polizei für Kost und Logis sorgte: Die hatte nämlich einiges gutzumachen, denn geraume Zeit hatte man dort ganz einfach ignoriert, daß Gundula Graf tatsächlich im Mittelpunkt einer zwielichtigen Geschichte steckte. Jetzt allerdings war man hochgradig alarmiert und hatte eigens Inspektor William Portage aus den Oststaaten einfliegen lassen, um Rita, Paul und Margarethe bei der Suche nach der verschollenen Freundin zu unterstützen. Der allerdings war immer noch dabei sich am Kopf zu kratzen: Einerseits weil Tante Margarethe sich zunehmend hysterisch benahm; anderseits, weil noch immer nicht klar war, wieso Gundula - mit einem unbekannten Mann an ihrer Seite - in gemächlichem Tempo quer durch Kanada reiste und dabei zunehmend größere Geldbeträge abhob. In ihrem Bekanntenkreis galt Gundula nicht gerade als sonderlich wohlhabend; und niemand hatte geahnt, daß sich auf ihrem Konto geradezu unglaubliche Summen stapelten, die sie nun - in Kanada - Schritt für Schritt abhob. Für all diese Rätsel und Widersprüche hatte Portage nur eine brauchbare Erklärung - eine Spekulation eher: Gundula Graf war womöglich mit ihrem eigenen Ehemann durchgebrannt - mit einem ehemaligen Berliner Bauunternehmer, der sich nach etlichen windigen, aber lukrativen Geschäften von ihr getrennt und dann gen Osten abgesetzt hatte. Seit diesem Zeitpunkt - vor fünf Jahren - hatte Gundula heimlich das Geld auf ihrem Konto gehortet - und bis zu ihrem Verschwinden, beim Sommerurlaub mit Tante Margarethe, war niemand aufgefallen, daß Gundel eine außerordentlich gute Partie war. Inspektor Portage war jedenfalls überzeugt, daß sich die ganze Geschichte innerhalb kürzester Zeit klären würde, denn so wie es aussah, würde Gundula - mitsamt ihrem ominösen Begleiter - demnächst in Edmonton einrollen. Und ausnahmsweise war Margarethe einmal mit dem Inspektor einer Meinung: Jemand wie Gundula würde sich einen Besuch in der West Edmonton Mall nicht entgehen lassen - wenn sie schon einmal in der Nähe war.