Es ist immer das gleiche - seit 14 Jahren mit 'Pops Tönender
Wunderwelt'. Immer wenn die eine Geschichte zu Ende ist und ein neuer
Reisebericht unseres Helden Paul E. Pop aufgeblättert wird,
kommt die gleiche Frage: 'Ich hab' die letzte Sendung leider verpasst -
wie ist die ganze Geschichte denn nun ausgegangen?' Dieses eine mal
liefert die Wunderwelt deshalb eine 'Nachspielzeit' - eine ganze Stunde,
in der das nächste Abenteuer noch nicht ganz anfängt, aber die
Fäden vom letzten denn noch mal kompakt zusammengeknüpft
werden.
Im Sommer des Jahres 2000 dämmerte dem alten
Spekulanten und Korruptions-Experten Ferdinand Von Königstein,
dass es wohl auch ihn erwischen würde. Er selbst behauptete,
vorwiegend als 'Motivations- Manager' tätig gewesen zu sein - aber im
Klartext ging es wohl hauptsächlich um Schmiergeld, um schwarze
Konten und um Geldwäsche. Auch seine Geschäfte drohten
aufzufliegen, und so beschloss er, endgültig aus der Schußlinie
zu treten. In einsamen Nacht- und Nebelaktionen verkaufte er stapelweise
Aktien und Firmenanteile - und nicht zuletzt seine Transaktionen sorgten
dafür, dass der Weltmarkt ins Schwanken geriet.
Das dabei
freigewordene Geld wurde mehrfach um den Globus gejubelt. Millionen
wanderten von einer Bank zur anderen, bis es kaum noch möglich war,
die Herkunft der Gelder nachzuvollziehen. Am Ende landete der
größte Teil der Königstein-Millionen auf allerlei
verdeckten Konten in Pazifischen Raum - von Australien bis ins
Königreich von Tonga warteten Unsummen auf ihren alten, neuen
Besitzer. Als es dann soweit war und Königstein die deutsche
Steuerfahndung, die Staatsanwaltschaft und polizeiliche Sonderermittler im
Nacken saßen, konnte er sich - natürlich - rechtzeitig und
einigermaßen entspannt absetzen. In seinen Büros und in seiner
Villa am Chiemsee gab es nichts, was ihn noch hätte weiter belasten
können. Allerdings wußte der Münchner Ex-Anwalt: Er
würde nur eine 'Freiheit auf Abruf' genießen: Früher oder
später würde man auch international nach ihm fahnden - und zwar
so lange er am Leben war. Und damit begann die Phase zwei in
Königsteins großem Plan: Er wollte seinen eigenen Tod
inszenieren und sich danach - mit einer neuen Identität - im Paradies
der Südsee zur Ruhe setzen.
Nun hätte der alte
Gauner sein Ableben natürlich ganz klein und einfach inszenieren
können: Ein Autounfall, ein Flugzeugabsturz, ein Feuer in einem
Hotel. Mit den geeigneten Indizien hätte er die Behörden leicht
von seinem Tod überzeugen können. Aber Königstein wollte
mehr - und da zeigte sich dann eben, was einen wirklich fiesen,
hinterhältigen und gemeinen Schurken von einem kleinen Gauner
unterscheidet: Königstein hatte beschlossen, seine fingierte
Ermordung Paul E. Pop in die Schuhe zu schieben, seinem besten Feind, der
es mehrmals geschafft hatte, am Lack des eitlen Spekulanten zu
kratzen.
In - fast schon liebevoller Detailversessenheit - legte
Königstein falsche Spuren, Köder und Indizien aus.
Unterstützt wurde er dabei von seiner Tochter, die ihm an
Bösartigkeit offenbar um nichts nachsteht. In Südafrika musste
ein nichtsahnendes Königstein-Double dran glauben, und Caroline
spielte der Polizei die nötigen Beweise und Motive in die Finger.
Alles deutete auf unseren Helden, wenn nicht ein kleiner Zufall
Königsteins Pläne ins Wanken gebracht hätten: Die
Millionen, die Königstein zusammengezogen hatte, um sich ein
geruhsames Leben nach dem Tode zu finanzieren, hatten natürlich
Neider geweckt. Ein argentinischer Bankangestellter hatte nicht
eingesehen, warum nur der alter Gauner von dem vielen Geld profitieren
sollte. Und so hatte Senor Moya klammheimlich ein paar Millionen
abgezweigt. Für seine Rückversicherung, vielleicht auch als
Druckmittel, hatte der Banker Königsteins weitere Transaktionen fein
säuberlich notiert - und an einem Ort deponiert, den selbst
Königstein nie erraten hätte: In einem Glaszylinder, in dem sich
angeblich ein millionenschwerer Diamant befinden sollte.
Diesen - in
Wirklichkeit leeren - Zylinder spielte Königstein nichtsahnende
unserem helden in die Hände. Die Glasröhre sollte das Motiv
für den Mord liefern. Und als der 'Mann aus dem Jenseits' die
Glasröhre öffnete, fiel ihm - natürlich - dieser
verräterische Zettel in die Hand - und damit ein Druckmittel, vor dem
selbst Königstein kapitulieren musste. Um seine Millionen zu retten,
musste der alte Herr zugeben, dass er noch am Leben war - und damit war
Paul gerettet.
Erst Ende März kehrte Paul in seine Wahlheimat -
nachTobago - zurück, und ursprünglich sollte Siggi ihn
dabei begleiten, der Ex-Verlobte von Caroline von Königstein und Ex-
Leibwächter ihres alten Herren. Er war der eigentliche Verlierer bei
dieser ganzen Geschichte gewesen, denn genau so wie Paul, war er bei der
Affäre auch nur benutzt, betrogen und manipuliert worden. Am Ende
hatte ihn seine Freundin ebenso kaltschnäuzig abserviert wie sein
einstiger Arbeitgeber, und obwohl Siggi echte Macho-Qualitäten
entwickeln kann, hatte ihn diese Sache doch einigermaßen
mitgenommen.
Die letzten paar Tage, in denen die Südafrikanische
Polizei ihre Königstein-Akten komplettieren wollte, hatten er und
Paul auf der Golden Hippo Farm von Mr. Chocono verbracht -
im feudalen Landhaus ihres undurchsichtigen Gönners, der einerseits
der größte Schulbuchverleger des Landes, andererseits aber auch
ein Freund des durchtriebenen Schmugglers King Bheki ist. Und Siggi
war zunehmend in dumpfen Weltschmerz und Selbstmitleid verfallen.
Ursprünglich wollten die beiden gemeinsam nach Tobago reisen; Paul
hoffte, dass ein paar Wochen im Old Pirate's Inn den vierschrötigen
Berliner schon wieder aufbauen würden. Aber dann kam etwas anderes
dazwischen - nämlich meine eigene Reise in die Karibik, die
eigentlich nur ein ganz privater Urlaub werden sollten.
Wie schon im Jahr
zuvor hatte ich Paul gefragt, ob wir uns dabei sehen würden - am
besten in La Habana. Und nach anfänglichem Zögern war er
völlig begeistert: Er würde drei Fliegen mit einer Klappe
schlagen. Wir könnten uns wiedersehen und hemmungslos in alten und
neuen Zeiten schwelgen; Havana war - noch viel besser als Tobago -
geeignet, Siggi auf bessere gedanken zu bringen. Und er könnte dabei
- oder zumindest in der Nähe - sein, wenn Ophelia, die
Köchin des Old Pirate's Inn ihr Kind zur Welt brachte. Im
letzten Jahr hatte sie - völlig überraschend - den kubanischen
Piloten Carlos Fuentes kennengelernt und geheiratet - und nun war
der Nachwuchs unterwegs - und Carlos schwor Stein und Bein, dass die
kubanischen Krankenhäuser die besten der ganzen Karibik
wären.
So kam es denn, dass Pauls letzter Brief in Sachen 'Kassensturz' nie
geschrieben wurde: Nachdem er und Siggi mir in Havana alles brühwarm
erzählt hatte, meine Paul, dass er nun überhaupt keine Lust mehr
hätte, das alles nochmal aufzuschreiben. Das könnte ich doch
schließlich genau so gut machen - oder sogar noch viel besser. Aber
allzu viel ist es auch gar nicht: Kurz bevor das ganze Komplott gegen Paul
aufflog, hatte sich Caroline Von Königstein abgesetzt. Mit einiger
Raffinesse liess sie alles so aussehen, als ob sie - und ihr
Privatsekretär - ein Flugzeug nach Angola genommen hätte;
tatsächlich jedoch schmuggelten sie sich - vermutlich mit einer
ordentlichen Bestechungssumme - auf eine Maschine nach Nairobi; von dort
aus ging es nach Kairo - und dann weiter nach Libyen.
Vermutlich hatte sie gehofft, dort sicher zu sein, aber da machte ihr
die große, internationale Politik einen Strich durch die Rechnung. Ihr
Aufenthaltsort schneller festgestellt, als sie geglaubt hatte; und das
Interesse der deutschen Behörden an ihr war nach dem geplatzten Coup in
Südafrika noch erheblich größer geworden. Da traf es sich denn ganz gut,
dass sich die Beziehungen zu dem großen nordafrikanischen Land - gerade
in den letzten Monaten - eindeutig verbessert haben. Offiziell gibt es
zwar kein Auslieferungsabkommen mit Libyen, aber beide Seiten waren sich
einig, dass eine Ausweisung von Caroline Von Königstein die Beziehung
zwischen den beiden Ländern auf noch solidere Füße stellen würde. So
endete denn die Flucht von Königsteins Tochter auf dem Flughafen von
Rom, wo sie von deutschen Ermittlern festgenommen wurde.
Sie gilt als eine wichtige Zeugin bei einer ganzen Reihe von Affären -
und obendrein wird ihr die Beteiligung am Mord von Arthur
Holzmann zur Last gelegt, der sich in Südafrika als ihr eigener
Vater ausgegeben hatte. Bis heute allerdings schweigt Caroline - und
wenigstens ihr Anwalt ist davon überzeugt, dass das Verfahren mit einem
Freispruch für sie enden wird. Paul und Siggi allerdings hoffen, dass
sich die Sache gehörig in die Länge ziehen wird, denn Caroline wird sich
mit Sicherheit irgendwann an den beiden rächen wollen.
Von Ferdinand von
Königstein fehlt weiterhin jede Spur; nur ein ganz kleiner Teil
seiner Millionen wurde aufgespürt und beschlagnahmt. Die übrigen
Konten und Depots, die zwischen Neuseeland und Hawaii verteilt sind,
wurden gelöscht, umgewandelt oder leergeräumt, noch bevor die
Behörden eingreifen konnten. Königstein hat sein Vermögen
in Sicherheit bringen können - allerdings bleibt man ihm auf den
Fersen. In mehr als zwanzig Ländern gibt es inzwischen offizielle
Haftbefehle gegen den ausgefuchsten Finanzmakler - und aus dem Traum von
einem paradiesischen Ruhestand dürfte erst mal nichts
werden.
Königstein bleibt weiter auf der Flucht und damit ist
sein Hass auf Paul vermutlich noch weiter gewachsen. Noch einmal hatte
unser 'Mann aus dem Jenseits' ihm eine gewaltige Schlappe zugefügt
und alle seine Pläne durchkreuzt. Obendrein saß nun seine
Tochter im Gefängnis - vermutlich die einzige Person, der er wirklich
vertraute, die ihm wirklich etwas bedeutete. Mit Ferdinand Von
Königstein war also weiter zu rechnen, und Paul war natürlich
einigermaßen nervös, als wir uns in Havana trafen - selbst wenn
ihn Siggi - auf seine Art - immer wieder beruhigen wollte. 'Die
nächsten Monate würde er sicherlich Ruhe haben, behauptete der
ehemalige Leibwächter. Wenn Königstein sich an Paul
rächen wollte, dann würde er mit Sicherheit etwas Großes,
Teufliches und Ausgeklügeltes einfädeln - und das würde
einige Zeit in Anspruch nehmen.
Es war kaum zu
übersehen, dass sich wenigstens Siggi prächtig erholte sich: Er
blühte in Havana geradezu auf, und am Ende war er nur noch mit seiner
neuen Freundin und ihrer kubanischen Hip-Hop-Clique unterwegs. Paul
dagegen nahm - sozusagen - seine Familienpflichten sehr ernst: Immer
wieder rief er bei Carlos und Ophelia an, wenn er nicht gerade mit einem
Blumenstrauß unterwegs, um die beiden zu treffen. Als Matilda
dann endlich auf die Welt kam, war er regelrecht aus dem Häuschen
und bestand darauf, mit Carlos und mir, teure kubanische Zigarren zu
paffen - für meinen Geschmack eine ziemlich fade
Freizeitbeschäftigung, und ich war froh, als der Tabak endlich soweit
verqualmt war, dass ich meinen Stumpen endgültig ausdrücken
konnte.
Danach allerdings hatte er es einigermaßen eilig
nach Tobago zurückzukehren: Das schlechte Gewissen plagte ihn.
Eigentlich war er ja nur - für ein paar Tage aufgebrochen und hatte
Rita, Nuts und Marco - mitten in der Hauptsaison - mit der
ganzen Arbeit im Stich gelassen. Und nun waren daraus mehrere Wochen
geworden. Mehrere Wochen vergingen, bis ich wieder von Paul hörte:
Kurz nach seinem Geburtstag - Mitte April - traf eine Postkarte ein, die
er noch in Havana geschrieben hatte - mit vollkommen
überflüssigen Urlaubsgrüßen und den Schlussworten
'Demnächst mehr'. Wenig später traf den auch endlich
wieder ein langes, chaotisches Fax aus Tobago ein: Vorneweg eine kurze
Notiz von Rita, die mir erklärte, dass sie da allerlei Zettel
eingesammelt und zusammengeklebt hatte, um uns auf dem Laufenden zu
halten. Paul würde zur Zeit keine Lust haben, zu schreiben -
irgendwie hätte er Probleme, die richtigen Worte zu finden. Ansonsten
würde es ihnen gut gehen - der Laden brummt und das Wetter sei wieder
einmal grandios. 'Liebe Grüße, Rita!'