Eigentlich sollten Paul E. Pop und Rita Stefanidis nur als
unabhängige und neugierige Beobachter dabeisein, während ein paar
schottische Studenten ein seltsames Bauwerk auf der Karibik-Insel St.
Vincent freilegten, aber ziemlich schnell standen unsere beiden
Abenteurer im Mittelpunkt einer zwielichtigen Geschichte. Unter einer
erkalteten Lavazunge vom letzten Ausbruch des Mount Soufrieré befand
sich nämlich etwas, das man sofort für einen Maya-Tempel halten
musste: Eine erstaunlich große Anlage mit Hyroglyphen und ornamentalen
Friesen, die anscheinend von den Nachkommen des mittelamerikanischen
Volkes errichtet worden war.
Das allein wäre bereits seltsam genug: Die Maya waren nie sonderlich
reiselustig gewesen, und Schiffe mussten ihnen eigentlich ein Gräuel
gewesen sein. Aber um die Anlage auf St. Vincent - mehr als 3000
Kilometer von ihrer Heimat entfernt - rankte sich noch ein weiteres
Rätsel: Die Studenten der University of Glasgow waren eindeutig nich
die ersten, die diesen Tempel entdeckt hatten: Bereits sechs Jahre
zuvor hatten vier Engländer das Eiland besucht und hatten dabei den
Eingang des geheminisvollen Gemäuers freigelegt. Einer von ihnen - der
Archäologe Dr. Winston - war dabei ermordet worden. Seine sterblichen
Überreste wurden bei der aktuellen Ausgrabung in der versteckten
“Inneren Kammer” des Tempels entdeckt.
Ein anderer Teilnehmer der damaligen Exkursion, der damals gerade
20jährige Spencer Willcox, war nun der Leiter dieser zweiten
Erkundung. Und er war der Hauptverdächtige in dieser undurchsichtigen
Affäre. Immerhin hätte er gewaltig vom Tod des Wissenschaftlers
profitieren können: Als Leiter bei der Entdeckung eines Maya-
Heiligtums in der Karibik, wäre Willcox bereits kurz vor Abschluss
seines Studiums in den Olymp der internationalen Archäologie
aufgestiegen. Der Sohn des 28. Duke of Stirling hatte damit ein Motiv;
er hatte die Gelegenheit zu diesem Mord, 1997, gehabt; und die Art wie
er seine ursprüngliche Entdeckung verschleiert hatte, belastete ihn
zusätzlich.
Aber andererseits: Wenn er gewusst hätte, dass sich Dr. Winstons
Leichnam in dem Gewölbe befand, hätte Willcox mit Sicherheit nicht
seine Studentengruppe an diesen Ort geführt. Und es gab noch mehr
Ungereimtheiten bei dieser Geschichte. Der ganze Maya-Tempel, so
fanden Paul und Rita mit der Hilfe ihres Freundes Marco heraus, durfte
sich eigentlich gar nicht auf St. Vincent befinden. Er war erst 1979
unter Tonnen von Lava und Geröll begraben worden - und es war einfach
ein Unding, dass man ihn nicht schon lange zuvor entdeckt haben
sollte. Die Black Caribs jedenfalls - die Nachkommen der indianischen
Ureinwohner der Insel - wussten nichts von dieser Anlage.