Bo Calliste war ein unauffälliger alter Herr gewesen. In einem
bescheidenen Haus am Steeple Hill, das schon seiner Mutter gehört
hatte, hatte er seinen ruhigen, entspannten Lebensabend verbracht; der
einzige Luxus den er sich gegönnt hatte, waren ein oder zwei
abendliche Biere im Old Pirate's Inn gewesen. Dort - in der berühmten
Strankneipe von Paul E. Pop - war Bo fast schon zu einem
Familienmitglied geworden; besonders mit dem Barkeeper Nuts verband
ihn eine lange Freundschaft.
Aber auch Nuts hatte nichts gewusst, vom aufregenden Vorleben des
alten Herren, der erst Ende der Achtziger nach Charlotteville, in den
Ort seiner Kindheit, zurückgekehrt war. Das alles kam erst nach Bos
Tod heraus, und der führte dann zu einer regelrechten Affäre, die das
ganze kleine Karibikdorf auf der Insel Tobago in Atem hielt. Auch wenn
anfangs nur wenig darauf hingedeutetet hatte: Der 73jährige Bo
Calliste war vergiftet worden, und ausgerechnet Bürgermeister Charlie
Johnson gehörte inzwischen zu den wenigen Verdächtigen. Immerhin war
er Bos Cousin gewesen, und die beiden verband eine recht wechselvolle
Beziehung. Die beiden waren mal die besten Freunde, mal waren sie
bösen aneinandergeraten, und in Charlotteville hatten sie nach außen
hin Distanz gefahrt, sich jedoch hin und wieder heimlich getroffen -
so eben auch an Bos letztem Abend.
Worüber sie sich unterhalten hatten: Darüber wollte der Bürgermeister
kein Wort verraten, aber es war gut und gerne möglich, dass es dabei
um die ominösen Aktien der San Fernando Investment gegangen war. Diese
Firma existierte zwar schon lange nicht mehr, aber Bo Calliste hatte
einen ganzen Schwung ihrer Papiere besessen, gut versteckt in einem
Schließfach im Nachbarort Speyside; ein Depot, dass Charlie Johnson -
oder vielmehr seine Frau Miranda - für ihn eingerichtet hatte.
Aber noch bevor die polizeiliche Ermittlung das heraus gefunden
hatte, waren diese Aktien auch schon wieder verschwunden: Präzise und
professionell erbeutet bei einem Überfall auf den täglichen
Geldtransporter der kleinen Insel. Und schon wieder fiel ein dunkler
Verdacht auf den Bürgermeister - allerdings auch auf Bos Schwester
Lavinia sowie seinen Sohn Ivanhoe, der wie aus dem Nichts in
Charlotteville aufgetaucht war und der nun das Alleinerbe für sich
beanspruchte. Noch verworrener wurde die Sache mit den Wertpapieren
durch eine gut versteckte Druckerwerkstatt in den Bergen des kleinen
Ortes. Als langjähriger Mitarbeiter einer Spezialdruckerei in Port Of
Spain besaß Bo Calliste einschlägige Erfahrungen, und es war nicht
auszuschließen, dass seine Wertpapiere eine geschickte Fälschung
waren. Aber bislang wusste man nicht einmal, ob sie überhaupt einen
Wert besaßen.